28.05.2009

Politiker als Gangster oder Gangster als Politiker

Früher hieß es, hast du einen Opa, schick ihn nach Europa. In Bulgarien könnte man auch leicht abgewandelt sagen: Hast du eine Mafia, schick sie nach Europa. Europawahlen erfreuen sich auch in Bulgarien nicht an allzu großem Zuspruch. Letzten Umfragen zu Folge gaben 34% der Wahlberechtigten an, Ihre Stimmte abzugeben, während 14% entschlossen waren, dem Urnengang fern zu bleiben. Nun kann man das bedauern, aber auch in anderen Ländern sieht es nicht viel besser aus. Eine Personengruppe in Bulgarien interessiert sich hingegen sehr für diese Wahl: Bulgariens Unter- und Halbwelt. In letzter Zeit häufen sich die Meldungen, dass in Untersuchungshaft einsitzende Mafiagrößen ihre Kandidatur für die Europawahl am 7. Juni oder die bulgarischen Parlamentswahlen am 5. Juli beantragt haben und zum Teil bereits zugelassen wurden. Um eine Kandidatur in Bulgarien anzumelden, muss man mindestens 10.000 Unterschriften von Unterstützern zusammenbekommen und 15.000 Leva hinterlegen. Den Anfang machten die notorischen "Galevi"-Brüder aus Dupnitza in der Nähe von Sofia, Bulgarian Alleged Mafia Boss Says No to MP Immunity und Bulgarian businessman under arrest stands for Parliament. Businessmen, oder wie man auch sagt Biznesmeni, ist natürlich in Anführungszeichen zu setzen und ein Synonym für Mafiatypen. Die "Galevis" sitzen seit gut einem halben Jahr in Untersuchungshaft. Bekannt wurden sie, weil sie praktisch den Ort beherrschen und den früheren Innenminister Rumen Petrov trafen, was später zu seinem Rücktritt führte, Bulgarien: Skandal im Innenministerium bringt ganze Regierung in Bedrängnis. Er konnte nicht glaubhaft den Grund dieses Treffens benennen. Die Abgeordneten-Immunität lockt, auch wenn sie dies bestreiten.
Wenig später erfährt das geneigte Wahlvolk, dass ein gewisser Vesselin Danov, 55, aus Varna und sein Sohn sich um eine Kandidatur bemühen, Alleged Bulgarian Racketeers Allowed to Run for Parliament. Ihnen wird Prostitution, Menschenhandel und Geldwäsche vorgeworfen. Das pikante dabei, sie saßen bereits als Abgeordnete im Stadtrat von Varna. Allerdings haben ihre Hoffnungen, das Gefängnis verlassen zu dürfen, um Wahlkampf betreiben zu können, einen Dämpfer bekommen, http://www.novinite.com/view_news.php?id=104033. Die Kandidatur hingegen wurde zugelassen.
Und dann wäre noch ein gewisser Alexander Tomov, der seit Monaten die Negativ-Schlagzeilen beherrscht. Der frühere Manager des Fussballvereins CSKA Sofia und der maroden Stahlhütte Kremikovtzi wird beschuldigt, Millionenbeträge von seinen früheren Arbeitgebern veruntreut zu haben, Bulgaria Court Postpones Tomov Trial over EP Candidature. Aufgrund seiner Kandidatur wurde der Prozess vorerst aufgeschoben. Aus Sicht von Tomov sicher ein Teilerfolg. Einen Wahlkampf zu führen, klingt ja auch viel eleganter, als fortlaufend Krankenbescheinigung einzureichen, um seine Prozessunfähigkeit zu belegen.
Zyniker würden jetzt einwenden, was soll die Aufregung, Politiker sind eh Verbrecher und das Parlament bereits voll mit Mutri, siehe auch Sportskanone aus Bulgarien. Da machen ein paar mehr oder weniger auch nicht mehr viel aus. Und ich bin mir auch nicht sicher, was mir mehr Angst macht, dass sich solche Figuren als Kandidaten aufstellen lassen können oder dass es Leute gibt, die sie auch noch wählen und unterstützen würden. Mit Sicherheit wird es die Reputation Bulgariens als korrupten Balkanstaat nicht unbedingt verbessern und die wahren Probleme des Landes nicht lösen. Das sollten die Wähler dieser Gestalten bedenken.

23.05.2009

Naschite

Ein putziger Zug der Bulgaren ist es, wenn von Familienangehörigen die Rede ist, sie einfach mit "Naschite" (=die Unsrigen) zu bezeichnen. Die Unsrigen haben dies gemacht, die Unsrigen sind dahin gefahren usw. Allerdings lässt sich der Kreis der Unsrigen auch beliebig erweitern. So ist die Nationalmannschaft (welcher Sportart auch immer) bei internationalen Wettbewerben die "Naschite". Oder besonders stolz sind die Bulgaren ja auch auf "nasche" Dimiter Berbatov bei Manchester United. Da viele Bulgaren angesichts der von Korruption, Mafia und Hooligan durchsetzten nationalen Liga eher von englischen Mannschaften angezogen werden, ist der Stellenwert umso höher. Gestern kam die Nachricht das "nascha" auf den Mount Everest geklettert ist. Damit ist Petya Kolcheva, die als Anwältin arbeitet, gemeint. Sie ist nun die erste Bulgarin, die auf den höchsten Berg der Welt geklettert ist. Wer will nicht einen Gewinner in der Familie haben.

First Bulgarian Woman Climbs Mount Everest

17.05.2009

EGN

EGN (sprich: eh geh neh) ist die Abkürzung für Edinen Grashdanski Nomer und bedeutet Einheitliche Bürger Nummer. Jeder Bulgare erhält diese zehnstellige Nummer automatisch bei der Geburt. Sie setzt sich daher auch aus dem Geburtsdatum und einigen weiteren Nummern zusammen. Da sich mit dieser Nummer jeder bulgarische Bürger eindeutig zuordnen lässt, wird sie auch bei jeder Gelegenheit abgefragt. Ob man nun ein Konto eröffnet, ein Handy kauft, einen Arzt aufsucht oder auch nur bei einem Preisausschreiben teilnehmen möchte, die Nummer verfolgt einen auf Schritt und Tritt. Als Ausländer hat man allerdings keine EGN, sondern bekommt eine eigene Personalnummer für Ausländer, die LNT, Lichen Nomer za Tchudenets. Obwohl diese Nummer auch zehnstellig ist, weicht sie in Ihrer Form von der EGN ab. Die Zahlen sind zufällig ausgwählt. Dies führt dazu, dass man ein Problem bekommt, sobald man nach der EGN gefragt wird. Manchmal hilft es allerdings, wenn man sein Geburtsdatum angibt. So ganz durchdacht ist das System jedoch nicht, bzw. für Ausländer offen. Erst wenn man eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhält, bekommt man auch eine EGN. Bis dahin geht das Verwirrspiel um die Zahlen weiter.

Defekte Klobrillen

Eines des ungelösten Rätsel des Balkans bezieht sich auf defekte Klobrillen. Auf den ersten Blick nichts besonderes. Aber wenn man mehr als einmal eine defekte Klobrille in einem Restaurant oder Hotel findet, das neu eröffnet wurde und zumindest preislich ein gehobeneres Niveau beansprucht, so finde ich das schon etwas verwunderlich. So eine Klobrille kostet schließlich kein Vermögen, im Vergleich zu einem Hotelbau.

Hawaii doch nicht skandinavisch?!






Vor kurzem habe ich das Eingangsschild eines Restaurants gepostet, das auf den Namen New Scandinavian Restaurant Hawaii hinwies. Zufall oder nicht, jedenfalls wurde das New Scandinavian nun entfertnt. Aber vergleicht selbst. Als Bonus noch ein weitere lustige Schilder.

16.05.2009

Der Russe kommt?!


Panzer auf der Tsarigradsko Shose in Sofia auf dem Weg zur 1. Mai Parade, Danke an Mitko für das Foto.

08.05.2009

112 Bentley Autos in Bulgarien

Im Zuge einer Überprüfung von Millionären in Bulgarien sind einige "Unregelmäßigkeiten" aufgetreten. Einkommens-Millionäre lassen sich ja ganz einfach lokalisieren, da es eine Flattax von 10% gibt. Also jeder, der mindestens 100.000 Leva Steuern zahlt, kann als Millionär bezeichnet werden. Zumindest diejenigen, die eine Steuererklärung abgeben. Dabei wurden aber auch Inhaber von teuren Immobilien, Yachten und/oder Luxusautos überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass Inhaber von 112 Bentley Autos (Stückpreis ab 220.000Euro) gar nicht die ausreichenden Mittel besäßen solche ein Auto zu unterhalten.

Die ganze Story unter: SANS investigates 150 millionaires - report und etwas aktueller: Please explain

26.04.2009

Parkverbotszone auf bulgarisch



Man beachte die rote Signalflüssigkeit! Hagebuttentee? Radioaktive Abwässer? Eine spezielle Algenart?

Posdravi
Ivan

Kremikovtzi







Kremikovtzi ist das einzige Stahlwerk Bulgariens. Es steht in der Nähe Sofias und wurde von den Kommunisten erbaut. Die Lage ist denkbar schlecht, es befindet sich nicht an einem Fluss, so dass die Erze und die Stahlprodukte mühsam per Schiene abtransportiert werden mussten. Da die bulgarischen Erzminen schon bald versiegten, musste es teuer aus dem Ausland importiert werden. Von den Seehäfen in Varna und Burgas sind es aber noch gut 450km bis nach Sofia und auch die Donau ist noch ein gutes Stück entfernt. Auch die Qualität der Stahlbleche ließ zu wünschen übrig. So arbeitete die Stahlhütte schon unter den Kommunisten nicht profitabel und selbst als die Stahlpreise noch hoch waren, konnte das damalige Management unter einem der Brüder Lakshmi Mittals das Werk retten. Der zog sich irgendwann zurück. Das hochverschuldete Werk kann seit November letzten Jahre keine Gehälter mehr zahlen und auch die Suche der aktuellen Regierungskoalition nach einem ausländischen Investor blieb erfolglos. Auch die genannten Interessenten aus der Ukraine und Brasilien erkannten, dass das Werk ein Millionengrab ist. Nichtsdestotrotz demonstrieren die 5.000 Stahlarbeiter in unregelmäßigen Abständen im Zentrum Sofias.
Immerhin können die Sofioter etwas aufatmen, denn die Luftverschmutzung der Hauptstadt hat sich spürbar gebessert.

Hawaii ist nun skandinavisch

Erdbeben in Varna

Es war gestern Abend gegen 20:20h Ortszeit, wir saßen gerade auf der Couch und ruhten uns aus, als plötzlich die Couch anfing zu schwingen und sich in und her zu wiegen. Erst dachte ich Dessy würde diese Schaukelei hervorrufen, aber sie lag ganz still da. Dann bemerkte ich, dass sich auch die Deckenlampen bewegten. Da war uns klar, dass es sich nur um ein Erdbeben handeln konnte. Es wirkte nicht beängstigend, eher aufregend. Ich war nur nicht sicher, ob sich die Schwingungen noch verstärken oder nachlassen. Zur unserer Erleichterung blieb es dabei, auch fiel kein Geschirr aus den Schränken oder bildeten sich Risse in den Wänden. Nach ungefähr 30-45 Sekunden war der Spuk vorbei und wir erleichtert.

Auf der Seite http://earthquake.usgs.gov/eqcenter/dyfi/events/us/2009fwba/us/index.html wurde das Beben in Rumänien registriert, und war 295km von uns entfernt. Es hatte eine Stärke von 5,3 auf der Richterskala. Die Uhrzeit stimmt auch.

Tsunamis hatten wir zum Glück auch nicht zu befürchten, da sich das Beben auf Land ereignete, in 96km Tiefe.

Posdravi
Ivan

25.04.2009

Euro in Bulgarien

Der Lev ist nach wie vor die offizielle Währung in Bulgarien. Aber schleichend ist eine Euro-päisierung festzustellen. Insbesondere wo es um größere Summen geht, wie in der Immobilien- oder KFZ-Branche, wird gerne auf die Gemeinschaftswährung Euro, in Bulgarien Evro genannt, zurückgegriffen. Da der Lev über ein Currency Board an den Euro gekoppelt ist und mit dem Fixkurs 1.95583 Leva für 1 Euro umgerechnet wird, erscheinen die Preise nur halb so groß.
Im Zuge der Finanzkrise wurde auch eine beschleunigte Einführung des Euros diskutiert, allerdings ist Bulgarien bisher noch nicht dem WKM II der EU beigetreten, was eine Vorstufe zur Euro-Einführung ist. Dies soll aber alsbald geschehen. Allerdings waren bisher die recht hohe Inflationsrate und das Leistungsbilanzdefizit die größten Hürden. Beide sind aber als Folge der Krise gesunken. Eine Einführung des Euros in Bulgarien vor 2011 erscheint allerdings unwahrscheinlich.

Посдрави
Иван

Deugarisch

Und wieder ein paar interessante deutsche Vokabeln aus dem Heimwerkerbereich:

- Lüsterklemme
- Glaven Schalter = Hauptschalter

Posdravi
Ivan

15.04.2009

1 Jahr Bulgarien

Ja, beinahe hätte ich das vergessen. Es ist nun schon ein Jahr her, dass ich nach Bulgarien gekommen bin. Am 1. April 2008 sind wir im Honda Civic Transbalkania in Varna angekommen. Kinners, wie die Zeit vergeht!

Und ich kann sagen, es geht mir gut! Sehr gut sogar.

Ich habe einen Job gefunden, der mir Spaß macht, mich erfüllt und auch ein wenig Geld abwirft.

Wir wohnen in einer traumhaften Wohnung mit sagenhaftem Blick auf das Schwarze Meer.

Dessy und ich verstehen uns blendend. Klar, hin und wieder haben auch wir Diskussionsstoff, aber dabei geht es selten an die Substanz.

Bei allem Jubeln gibt es natürlich auch noch einige Baustellen. Mein Bulgarisch reicht zwar um mir das ein oder andere Bier zu bestellen und auch ein wenig Smalltalk zu betreiben, aber verhandlungssicher ist das noch nicht. Aber ich arbeite dran.

Freundschaften konnte ich bisher hauptsächlich in Sofia knüpfen, die meisten über die Arbeit. Aber da bin ich nur recht selten und wenn ich dann da bin, muss ich praktisch jeden Abend dafür verplanen. Das kann auch manchmal etwas anstrengend werden. In Varna ist der Freundeskreis noch sehr überschaubar.

Dann hat sich leider der Plan mit der eigenen Capoeiragruppe noch nicht erfüllt. Zwar habe ich mit Orangefitness einen guten Partner gefunden, allerdings wird das Training nicht in dem Maße angenommen, wie wir uns das vorgestellt haben. Sicher hat es der Sache nicht geholfen, das ich hin und wieder wegen Reisen nicht unterrichten konnte. Und für junge Leute von außerhalb des Studios sind 50lv doch recht viel Geld. Eigentlich müsste ich noch an einem anderen Ort Training anbieten. Dafür fehlt mir allerdings Zeit und Energie momentan.

Unter dem Strich würde ich sagen, dass ich mich bereits sehr gut eingelebt habe und gerne noch länger im Lande bleiben möchte. Sicher ist der Alltag manchmal eine Herausforderung, aber das macht die Sache auch spannend.

Posdravi
Ivan

12.04.2009

Programmhinweis Goodbye Deutschland

Goodbye Deutschland
Das Team von "Goodbye Deutschland" hat unseren Zahntechnikermeister Herrn Meier und seine Familie bei ihrer Auswanderung nach Bulgarien begleitet.

Austrahlungstermin : 14. April 2009 um 20.15 Uhr auf VOX.

http://dentaprime.blogspot.com/2009/04/goodbye-deutschland.html

Boza


Heute habe endlich mal ein Getränk probiert, von dem immer behauptet wird, das es Ausländern nicht schmecken würde. Es handelt sich nicht um den Rakiya, ohne den kein Bulgare seinen Salat essen kann, sondern um Boza. Ein dickflüssiges, braunes Getränk, das leicht süßlich schmeckt. Es wird aus Weizen hergestellt und ist leicht angegoren. Es ist sehr nahrhaft und wird in Plastikflaschen abgefüllt im Supermarkt verkauft. Laut Wikipedia kommt es ursprünglich aus der Türkei. Bosa in Wikipedia .
Gewöhnlich trinkt man es zum Frühstück und ist dazu ein Stück Banitza.
Der Geschmack ist in der Tat gewöhnungsbedürftig. Auch wenn es süß ist, gibt es da Geschmacksanteile, die doch recht fremdartig schmecken. Ein großer Fan werde ich davon wohl nicht. So wie vom Shkembe Chorba, einer Suppe mit Lamm-Innereien. Doch davon beim nächsten Mal mehr...

10.04.2009

Ivan auf Einslive

Einslive hat heute in der Welt herumtelefoniert und wollte wissen, was die Hörer am Karfreitag so treiben und ob dort, wo man sich befindet auch Ostern ist. Da in Bulgarien erst nächste Woche Ostern (velikden) ist, weil die Orthodoxen den Ostertermin nach julianischem Kalender ausrechnen, dache ich, mail doch mal hin. Tatsächlich hat sich das Einslive-Team gemeldet und mich in die Sendung geschaltet.

Hier das Ergebnis:
Ivan auf Einslive

Frohe Ostern!

Ivan

Public Private Partnership in BG

Die Schlaglochdichte auf bulgarischen Asphaltwegen sind schon sprichwörtlich. Auch wenn einige Löcher - EU sei dank - gestopft wurden, so bleibt die Situation besonders auf Nebenstraßen oder auf dem Land prekär. Nicht zuletzt weil manches Geld auch in anderen Löchern verschwindet.

Engagierte Bulgaren haben jetzt eine Initiative ins Leben gerufen und nehmen die Sache selbst in die Hand: http://dupka.net/news.php

Auf der Seite gibt es eine Karte mit den größten Löchern (allerdings nur im Stadtgebiet Sofia), eine Galerie und ein Spendenaufruf. Dupka heißt übrigens Loch.

Ein gute Sache, wie ich finde!

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Иван