05.05.2010

Sprechen Sie Deutsch?

Als kleines Land im Südosten Europas benutzt Bulgarien eine Sprache, die zwar zur großen slawischen Sprachfamilie (genauer: südslawischen) gehört und die für sich die Erfindung des kyrillischen Alphabetes beansprucht, die aber lediglich von schätzungsweise 10-12 Millionen Menschen gesprochen wird. Dies entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Istanbul. Man sollte daher meinen, dass das Erlernen von Fremdsprachen eine Rolle spielt, zumal der Tourismus eine wichtige Säule der bulgarischen Wirtschaft darstellt und nicht wenige Bulgaren davon träumen, ins Ausland zu gehen.
Sicher, es gibt einige weiterführende Schulen über das Land verteilt, die bilingualen Unterricht anbieten. Diese sind aber oftmals in privater Hand und/oder verlangen das Bestehen eines Aufnahmetestes, der nicht einfach ist. Die beliebtesten Sprachen sind dabei Englisch und Deutsch, aber auch französisch und spanisch werden angeboten.
Dennoch muss man nicht selten die Erfahrung machen, besonders, wenn man des Bulgarischen noch nicht mächtig ist, dass man mit Fremdsprachen oft nicht sehr weit kommt. Kürzlich beschwerte sich unsere portugiesische Praktikantin, dass sie in der Hauptpost in Sofia, einer europäischen Hauptstadt immerhin, mit Englisch nicht verstanden wurde. Eine englisch sprechende Kundin konnte schließlich bei der Übersetzung behilflich sein.
Meine Lieblingsanekdote dazu betrifft das Migration-Office in Varna, wo man seine Aufenthaltstitel beantragen kann. Einer Amtsstube wohlgemerkt, wo sich kein Bulgare, es sei denn in Begleitung eines Ausländers verirren würde. Dort versteht aber auch keiner Englisch, bis auf die Vorgesetzte. Umgekehrt verlangen die Beamten, dass man seine Anträge in bulgarisch verfasst. Immerhin sind die Formulare zweisprachig.
Andererseits wird man nicht selten positiv überrascht, wie viele deutsch sprechen. Erst gestern hatte ich wieder ein Aha-Erlebnis. Ich wollte unser Auto zwecks Frühjahrsüberholung bei einer Autowerkstatt abgeben. Uns wurde eine empfohlen, die allerdings außerhalb von Veliko Tarnovo liegt, also praktisch schon in der nächsten Ortschaft. Trotz der sehr aussagekräftigen Anfahrtsskizze, bin ich erstmal glatt vorbeigefahren und fand mich mitten in dem Selo (Dorf) wieder, von vorbeiziehenden Zigeunern gemustert. Ich hielt dann an einem Betrieb, der nach Werkstatt aussah und fragte, ob sie die gesuchte Werkstatt kennen würden. Daraufhin entgegnete der Angesprcohene: "Sprechen Sie Deutsch?"

In Wikipedia findet sich auch eine Liste deutscher Lehnwörter:
Deutsche Wörter, die unverändert in die bulgarische Sprache übernommen wurden

03.04.2010

Mall Mania 3

Am 1. April wollten wir in Public, einem vor fünf Monaten eröffneten Multistore, ein Geschenk kaufen, als wir feststellen mussten, dass es geschlossen hatte. Auf Grund liberaler Ladenschlussgesetze ist man es in Bulgarien nicht gewohnt, vor verschlossenen Türen zu stehen. Selbst an Feiertagen findet man immer offene Geschäfte.
Wir hielten die Schließung daher für vorübergehend, als wir aber auf einigen Newsportalen lasen, dass die griechische Betreibergesellschaft, Publicworld EOOD, beschlossen hat, sich aus Bulgarien zurückzuziehen. Varna war bislang ihr einziges Geschäft in Bulgarien. Der Eigentümer betreibt außerdem die Elektronik-Kette Germanos.
Das ein Geschäft schließt, wäre eigentlich nicht die Rede gewesen, aber bei Public handelte es sich um einen sehr ansprechendes Laden. Dort konnte man Bücher, CDs, DVDs, Kinderspielzeug, Computerartikel unter einem Dach finden. Dazu zentral gelegen und mit einem Café ausgestattet, das besonders unter jungen Familien beliebt war, da es komplett rauchfrei war. Eine Seltenheit in Bulgarien.
Die Publicworld gibt als Gründe das unterschiedliche Kaufverhalten hierzulande an. Damit ist wohl gemeint, dass Bulgaren nicht als große Bücherleser gelten. Einheimische Autoren, die eine Auflage von 5.000 Exemplaren verkaufen, können das bereits als großen Erfolg verbuchen. CDs und DVDs werden auch seltener gekauft, man kann sich das ja (illegal) runterladen. Entsprechende Torrentseiten liegen bei den Zugriffszahlen in den Top 10. Schließlich bleiben Computer, die man eher in spezialisierten Geschäften kauft, die auch günstiger sind. Diese Fakten hat man wohl beim Markteintritt nicht bedacht. Hinzu kommt, dass der Eigentümer wohl auf dem Heimatmarkt in Griechenland auf Grund der Krise eine verschäfte Marktsituation vorfindet und daher keine Mittel und Geduld hat, sein Auslandsengagement voranzutreiben.
Ich wette, in den Büros der Mallbauer wird man bei dieser Meldung aufgehorcht haben.

Pozdravi
Ivan

30.03.2010

Mall Mania in Varna

In den nächsten Wochen und Monat wollen gleich 3 große Shoppingmalls ihre Pforten für die Kundschaft öffnen.


Mall Varna, http://www.mallvarna.com/index.php?lng=en, arbeitet bereits seit 2008 und seit 2007 Pfohe Mall, http://www.pfohemall.com, die anderen drei befinden sich in einem 2-4km Umgebung von Mall Varna und Pfohe Mall. Letzteres hat eine geschätzte Auslastung von unter 50%.  

Wenn man mal ungestört sein möchte, ist das bestimmt eine gute Adresse. Außerdem ist es überdacht und trocken.Ich habe meine Zweifel, dass es einen Markt und genug Kaufkraft für alle diese Malls. Und es soll noch eine weitere gebaut werden: http://www.aquario.sk/ 

Ok, ist Varna ein Touristenziel, aber reicht die touristische Saison aus, um all diese Einkaufszentren am Leben zu halten?

Eine Liste aller Malls kann man übrigens hier finden:

 http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_shopping_malls_in_Bulga...

Pozdravi
Ivan

23.03.2010

Deutschland steht Kopf



Einer unserer Nachbarn scheint ein ausgemachter Fahnenfan zu sein. Vielleicht möchte er auch nur seine Weltläufigkeit zur Schau stellen. Leider hat er die deutsche Fahne verkehrt herum aufgezogen. Gold-rot-schwarz. Wahrscheinlich hat er aber früher bei der Tagesschau die Fahnen für die Grafiken vorbereitet.

Danke an Rudolf Willig von http://news.willig.info/, der die Fahne zuerst entdeckt hat.

Pozdravi
Ivan
Posted by Picasa

22.03.2010

Protest gegen Schlaglöcher

Schon bisher hatten bulgarische Straßen mehr Ähnlichkeit mit der Mondoberfläche und das Fahren auf ihnen schonte Mensch und Maschine nicht. Kein Wunder also, dass SUVs und Geländewagen bei bulgarischen Autofahrern hoch im Kurs stehen. Daran haben auch bisher geflossene EU-Gelder für Infrastrukturmaßnahmen nur punktuell etwas verbesssert. Nachdem die Schnee- und Eismassen nun verschwunden sind, treten allerorten die Schäden zu Tage, die der harte Winter verursacht hat. Teilweise sind die Schlaglöcher groß wie Baugruben und könnten locker einen Trabi beherbergen. Die letzten Jahre wurden die Löcher eher provisorisch geflickt, so dass nun die Löcher noch größer geworden sind als vorher. Da die bulgairischen Bürger ihrer Administration ein tiefsitzendes Misstrauen pflegen, argwohnen sie, dass Gelder für die Reperaturen abgezweigt werden. So wird das Land gerade von einer Protestwelle erfasst, der sich in Manifestationen vor Rathäusern und auch dem Parlament in Sofia zeigt. Dabei werden den Politikern die beschädigten Reifen praktisch vor die Tür gekippt. Die nächsten Aktionen werden am 22. März stattfinden und bezeichnenderweise fahren Autkolonnen durch die Städte bis zu den entsprechenden Rathäuern. Koordiniert werden die Aktionen über die Seite www.dupka.net.

Links:
http://www.verkehrsrundschau.de/bulgaren-protestieren-gegen-schlagloecher-930933.html
www.dupka.net

26.01.2010

Bultsch

Und wieder ein paar Rohdiamanten für meine Bultsch-Sammlung. Mit Bultsch nenne ich deutsche Lehnwörter im Bulgarischen.

Immer wieder stolpere ich beim Zuschauen von BG-Fernsehen über deutsche Begriffe. Die Einträge heute sind:

1. Losung: Keine Demo, kein Projekt und keine Bewegung ohne Losunga. Hajde!
2. Schema: Ein vielverwendeter Begriff. Im Deutschen ein harmlos anmutendes Wort. Man kenn das Schema F und den Plural Schemata. In Bulgarien wird mit Schema oftmals eine mehr oder weniger legale Idee zur Geldwäsche, Land-Tauschaktion (Wertloses Hinterland im Tausch zu (staatlichen) Strandparzellen) oder sonstigen ausgefuchsten Geldbeschaffungsmaßnahmen bezeichnet.
3. Broiler: Die im Osten Deutschlands sozialisierten Menschen kennen den Begriff für Brathähnchen natürlich aus dem FF. Und einige Wessis wohl mittlerweile auch. Durch den osteuropäischen Tourismus wohl nach Bulgarien gelangt.
4. Nachtrag: Natürlich auch das schöne deutsche Wort "Maßstab" hat seinen Weg in den bulgarischen Wortschatz gefunden.

Leka Nosht!

Ivan

23.01.2010

Sibirien zu Gast bei Freunden

Nachdem der Winter bereits Deutschland "fest im Griff" gehabt hat und in Schneechaos umbenannt wurde, ist er nun auch in Bulgarien angekommen. Hatten wir Silvester noch bei lauen 20 Grad gefeiert, liegen wir aktuell bei -10 mit fallender Tendenz. Durch den beißenden Wind dürfte die gefühlte Temperatur bei -20 liegen. Nun trifft es mit Varna eine Stadt, wo bereits bei heftigem Regen der Verkehr stark beeinträchtigt wird. Zwar werden die Hauptstraßen einigermaßen freigehalten, aber sobald man in eine Seitenstraße abbiegt, kommt man eigentlich nur mit Allrad weiter. Manche Autos wird man sowieso erst im Frühling wiedersehen: http://twitpic.com/yxexx .
Da wir gezwungen sind mit der Klimaanlage zu heizen, beten wir dass die Stromversorgung nicht zusammenbricht. In der Region um Burgas ist das bereits der Fall:
http://www.novinite.com/view_news.php?id=112293

Morgen soll die Höchsttemperatur bei -15 liegen. Brrrr

Posdravi
Ivan

17.01.2010

Bobi Tsankov und Rumijana Jeleva

Diese beiden Personen haben die bulgarische Gesellschaft in den ersten Wochen des neuen Jahres am meisten bewegt. Bobi Tsankov war ein Radiomoderator, der sich guter Kontakte in die Unterwelt rühmte und versuchte diese zwecks halb-fiktionaler Bücher zu vergolden. Die Erschiessung im Hauseingang eines Gebäudes, das in einer der belebtesten Straßen des Sofioter Zentrums und in Rufweite des Hauptquartiers der Polizei steht, trägt deutlich die Handschrift der Mafia. Mögliche Motive zur Ermordung poppten auf wie Champignons. Von einer Racheaktion geprellter Kunden über ein Zeichen gegen Boyko Borrisov Regierung und seinem angekündigten Durchgreifen gegen die organisiert Kriminalität bis zum Einhaltgebieten des Mitteilungsbedürfnisses von Tsankov war die Rede. Oftmals wurde vom Journalisten Bobi Tsankovs geschrieben, allerdings darf man sich darunter keine Edelfeder aus dem Feuilleton vorstellen. Vielmehr arbeitete er in Radiosendern, die als Geldwaschanlage der Mafia dienten. Außerdem prellte er Kunden, indem er Werbezeiten verkaufte und die Spots aber nicht ausstrahlte.
Im Zuge der Ermittlungen wurden die Mafiagrößen "die Brüder Marguin" die eigentlich Krasimir Marinov und der kleinere Bruder Nikolay Marinov heißen, sowie die Narkogröße Stefan Bonev aka Sako, der im November Tsankov bedroht haben soll, verhaftet. Wobei der kleine Marguin sich auf der Flucht befindet. Was erst wie eine PR-Aktion der Polizei aussah, scheint sich nun erhärtet zu haben: Bulgaria Journalist Murdered for Providing Witness to Mafia Trial
Wir werden das weiter beobachten.

Kommen wir nun zu Rumijana Jeleva. Die bulgarische Kandidatin für das Ressort Humanitäre Hilfe und Krisenprävention, die in der deutschen "Welt" vorab bereits als Gangsterbraut betitelt wurde, hatte keinen überzeugenden Auftritt abgeben können. Lag es an mangelnder Vorbereitung, der schlechten Presse im Vorfeld oder schlicht an der Abgeordneten Parvanova der NDSW, der Zarenpartei, die den Abgang ihrer beliebten Kommissarin Meglena Kuneva schlecht verwunden hat? Es düfte von allem ein bisschen sein. Das Handelsblatt schreibt bereits, dass die Kandidatur zurückgezogen wurde: Rückzug der angegriffenen Bewerberin
Das wäre in der Tat eine herbe Schlappe für Premier Borissov, der schließlich die Verbesserung der Beziehungen zu Europa im Parteinamen verankert hat: Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB).

Vielleicht hat Jeleva dann auch mehr Zeit im Hobby Tanzen zu frönen:
Jeleva bei VIP Dance

Gescheiterte Politikerinnen in Tanzshows, das kennen wir doch...

03.01.2010

Silvester in Bulgarien

Честита нова година wünscht man sich in Bulgarien in der Silvesternacht. Ausgesprochen wird es chestita nova godina. Man prostet sich mit Sekt oder Champagner (wird beides champansko genannt, die bekannteste Marke ist Iskra) zu und wer Lust hat, zündet einige Silvesterraketen an. Vor einigen Jahren, war es nicht so einfach Böller und Raketen zu kaufen, aber das hat sich mittlerweile geändert. Soweit zu den Gemeinsamkeiten.
Am Neujahrstag gibt es allerdings noch einen sympathischen Brauch: Die Surwaka. So wird eine geschmückte Rute genannt, mit der zu beglückwünschende Personen auf den Rücken geklopft wird. Dies soll Gesundheit, Glück und Wohlstand bringen. Kinder gehen damit von Haus zu Haus und bekommen für die Surwaka-Schläge Früchte, Süßigkeiten und Kleingeld.
Außerdem werden spezielle Backwaren zubereitet: Ein Silvesterbrot, die Pitka und Banitza, die mit Geldstücken und kleinen Zetteln gespickt werden.

Also allen Lesern von Suxilandia wünsche ich ein glückliches 2010 und einen guten Start ins neue Jahrzehnt!

Pozdravi
Ivan