19.11.2008

Bulgaren und Ausländer

Bulgarien ist ein gastfreundliches Land. Das sprichwörtliche Schaf, das extra für den Gast geschlachtet wird, muss auch hier als Maßstab der Gastfreundlichkeit herhalten. Dem Besucher wird dabei mehr an Lebensmitteln und Flüssigkeiten zugemutet, als ein normal gebauter menschlicher Körper aufnehmen kann. Umgekehrt ist es aber auch üblich ein Gastgeschenk bereit zu halten. Dabei wird eine Flasche guten Rotweins für den Herren und Blumen für die Dame des Hauses als angemessen empfunden.

Lebt man dauerhaft im Lande, hängt es nicht unwesentlich davon ab, welche Herkunft man vorweisen kann. Dabei kann ein Pass eines westlichen wohlhabenden Landes von Vorteil sein, mit gewissen Einschränkungen. Ein gewisser Reichtum wird sozusagen qua Geburt vorausgesetzt und animiert besonders Beschäftigte im Dienstleistungssektor wie Taxifahrer oder Servicepersonal dazu, einen Aufschlag zu verlangen. Das ist natürlich keine bulgarische Spezialität. Eine uneinheitliche Preisgestaltung für Ausländer und Einheimische wurde zwar vor Jahren bereits verboten, was einige aber nicht davon abhält, Bulgaren einen "Stammkundenrabatt"  einzuräumen. 
Auf der anderen Seite genießt man als Ausländer auch gewisse Vorteile gegenüber den Eingeborenen. Mangelnde Sprachkenntnisse hemmt spürbar die Diskutier-Neigung des bulgarischen Gegenüber und man bekommt schneller, was man gerade braucht. Auch Verkehrskontrollen können, ich wiederhole können, schneller ablaufen, da davon ausgegangen wird, dass man das hiesige Backschich-System nicht voll durchschaut. Außerdem ist die Festsetzung und Zustellung des Knöllchens mit einigem Aufwand verbunden, den viele Beamte scheuen. Zeit ist schließlich Geld.
Es kommt manchmal auch zu einer Art umgekehrter Diskriminierung. Bulgaren sind von Natur aus ein sehr misstrauischer Menschenschlag. Alles andere wird als Naivität ausgelegt. Da ein Bulgare weiss, wozu seine Landsleute so fähig sind, trauen sie daher eher einem Ausländer.
Auch Russen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Ihre wenn auch nicht ganz selbstlose Beteiligung an der Befreiung vom "osmanischen Joch" wird ihnen noch heute hoch angerechnet. Allerdings häufen sich Klagen über deren bisweilen großkotziges Auftreten als wieder erstarkte Weltmacht. Dies zeigt sich im Missachten von Schlangen zum Anstehen und Sitzplatzreservierungen. 
Rumänen werden, trotz oder gerade wegen der engen Nachbarschaft, argwöhnisch betrachtet. Auch die Sprachbarriere mag eine Rolle spielen. 
Türken werden aus der Tradition heraus nicht sonderlich geschätzt. 
Mit den restlichen Balkanvölkern pflegt man eine mehr oder weniger intensive Freundschaft. 
Dunkelhäutige Personen werden noch aus einer Mischung aus Verwunderung und Faszination betrachtet. Dies ist aber eher der Seltenheit der Zusammentreffen zuschulden als einem wie auch immer gearteten verdeckten Rassismus. Allerdings hat die Wahl Obamas hier eher verhaltenes Interesse geweckt.
Die einzige Volks-Gruppe, die in Bulgarien nichts zu lachen hat, sind die Sinti und Roma hier landläufig Cigani genannt. Auch wenn kaum einer schlechte Erfahrungen aus eigenem Erleben vorweisen kann, so weiss doch jeder gebürtige Bulgare mindestens 100 Geschichten, warum denen nicht über den Weg zu trauen ist. Daran haben auch ca. 500 Jahre Zusammenlebens  und einem Bevölkerungsanteil von fast 10% nichts ändern können. An einer besseren Integration dieser Menschen wird Bulgarien nicht umhin kommen. Immerhin können sie sich auch EU-Bürger nennen.

Keine Kommentare: