26.06.2008

Wegelagerer

Letzten Samstag wurde ich von einem gefährlichen und zeitraubenden Irrglauben befreit: Dem Glauben daran, dass ein deutscher Führerschein eine Art Immunität gewährleistet. Da es kein Abkommen zwischen Bulgarien und Deutschland bezüglich dem Austausch von Verkehrsdelikten gibt und, wie bereits geschrieben, Verkehrsstrafen auf den Führerschein registriert werden. Das geht aber nur bei bulgarischen Führerscheinen. Daher ist das Prozedere bei ausländischen Führerscheinen ungleich höher und so ließen mich Verkehrspolizisten bisher ungestraft weiterfahren.

Bis eben zum letzten Samstag. Dessy und ich waren gerade auf dem Weg nach Albena, als ich statt der erlaubten 60 mit 84 unterwegs war. Dazu muss man sagen, dass sich auf dieser Strecke eine vierspurige, gut ausgebaute und mit Mittelleidplanke versehen Straße befindet. Keiner kriecht da mit 60 entlang...

Da wurde ich dann von den uniformierten Wegelagerern herausgewunken. Die Frage, ob ich bulgarische verstünde, verneinte ich. In der Hoffnung, dass sie keine Fremdsprachen sprechen und sich nicht mit mir lange rumschlagen wollten. Erste Fehleinschätzung.

Ich musste aussteigen, sie zeigten mir das Radar. 84 km/h versteht man halt auch so...

Die beiden hatten wohl ihren guten Tag und fingen gleich an, mir eine "Akte" zu schreiben, ein ausführlicher Strafzettel. Da schwante mir Böses und ich ging zu Dessy zurück und erzählte ihr, was die vorhaben. Also ging sie hin, um mit ihnen zu reden, ob man das denn nicht anders regeln könnte. Dies lehnten sie ab, sie hätten schon mit der Akte angefangen und außerdem könne man die Überschreitung nicht aus dem Speicher löschen. Wenn sich zu diesem Vorgang keine Akte fände, würden sie Probleme kriegen, was ich aber bezweifle.

Der Polizist schrieb und schrieb. Am Ende sollte ich das unterschreiben. Ich lehnte ab und beharrte auf einer Übersetzung. Außerdem sollte er die Toleranz rausrechnen, so wie man das aus Deutschland kennt. Hier nicht. Dessy hat mir den Wisch dann übersetzt. Falls ich nicht unterschriebe, würde ich es nur komplizierter machen, noch komplizierter?

Anschließend mussten wir den Polizisten aufs nächste Revier folgen.

Anscheinend war ich der erste seit langem, der sich nicht vorher per Backschich den Weg frei gekauft hat. Sie mussten erstmal rumtelefonieren und in Büchern blättern, was in solchen Fall zu tun sei. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde dann mein Strafmaß verkündet: 50lv oder 25€. Eigentlich darf man seit neuestem Strafen bis 50lv direkt bezahlen. Wir wurden darüber informiert, dass dies aber nur in Sofia möglich sei. Hilfe!

Ich würde meinen Führerschein allerdings nur gegen Bezahlung wieder bekommen. Aus naheliegenden Gründen, darf man aber nicht direkt bei der Polizei bezahlen, sondern muss eine Bank finden. Der nächste Bankschalter hatten allerdings Samstag zu, natürlich. Die Polizisten empfahlen uns, zu einem der größeren Hotels zu gehen, die über einen offenen Schalter verfügen würden. Fahren durfte ich. Ok, wir fanden Hotel und Bank, aber wie so oft, war wieder mal Poschiwka (Mittagspause). Na klar. Also nutzten wir die Zeit und kühlten unsere Gemüter mit einem Eis. Mittlerweile hatte die Bank ihre Mittagspause beendet. Da der anliegende Parkplatz nochmals 5 lv gekostet hätte, stellte ich mich ins Halteverbot. Falls sich jemand daran stören sollte, könnte ich ja immer noch weiterfahren. In Bulgarien ist ja immer alles solange erlaubt, bis es jemand ausdrücklich verbietet.

Grober Fehler.

Es dauerte nicht lange und ich wurde von einer Streife entdeckt. Auf die obligatorische Frage, ob ich die hiesige Sprache sprechen würde, antwortete ich reflexartig mit Nein. Also übergab ich die Fahrzeugpapiere. Dabei merkte ich, dass mein Führerschein sich noch auf dem Revier befand. Der Uniformierte wurde langsam ungeduldig. Ich schaute ihn nur an und zuckte mit dem Schultern, durfte ja nichts sagen... Irgendwann schlurfte er zum Polizeiwagen zurück, um sich Verstärkung zu holen. Währenddessen rief ich Dessy an und berichtete ihr von meiner erneuten Zwangslage. Sie kamen zurck. Dadurch ließ ich mich aber nicht stören und bedeutete ihnen, dass ich erst mein Gespräch beenden wollte.

Dritter Fehler.

Ich war halt schon angenervt. So langsam änderte sich deren Tonlage. Ich sollte, das Gespräch unverzüglich beenden. Mit Dessy wollte auch keiner reden. Dann platzte es aus mir heraus und ich gab an, dass mein Führerschein bei der Polizei liegt. Der Bulle wurde hellhörig.
Warum??
Wegen ner Akte.
Was!

Ich hörte bereits die Handschellen klicken. Da kam noch ein Dritter Polizeibeamte, der mich vom Revier aus kannte. Als ich ihm erklärte, dass Dessy gerade in der Bank das Ticket bezahlt, beruhigte sich die Situation wieder. Sie ließen von mir ab. Nicht ohne mir eine Standpauke mitzugeben, warum ich gelogen hätte, das ich kein bulgarisch verstünde. Die Frage, ob es denn dafür auch einen Strafzettel gibt, verkniff ich mir.

Ich war bedient.

Währenddessen hatte Dessy auch ihre liebe Not mit der Bank, erst wusste die Schalterbedienstete nicht, wohin sie das buchen sollte. Dann wollte der Computer die Überweisung nicht annehmen. Also musste sie eine Kollegin anrufen, die schließlich die Überweisung vornahm.

Wir konnten meinen Lappen endlich abholen gehen. Das ganze hat uns also 25€, jede Menge Nerven und geschlagene drei Stunden unseres Lebens gekostet.

Endlich konnten wir nach Albena weiterfahren. Bei unserer Ankunft ergoß sich ein Wolkenbruch auf uns hernieder. Was sonst...

Pozdravi

Ivan

Keine Kommentare: