15.08.2008

Gesegnetes Heim

Die Frage, ob die Bulgaren religiös sind, ist nicht einfach zu beantworten. 50 Jahre Kommunismus haben sicher keinen fördernden Einfluss gehabt und auch die osmanische Herrschaft machten die Religionsausübung schwierig, wenn auch die Türken eine eingeschränkte Religionsausübung duldeten. Wie sonst sind die vielen erhalten gebliebenen Klöster und Kirchen zu erklären. In den Nach-Wende Jahre waren eher andere weltliche Probleme vordringlicher. Ich habe den Eindruck, dass es jetzt wieder eine stärkere Hinwendung zur Religion gibt. Ein Gefühl, dass es auch andere Werte im Leben gibt, als nur $$$. Das Problem aber ist, das gerade bei den jüngeren Menschen auch das Wissen und die Übung zur Liturgie fehlt. So recht konnte mir noch keiner erklären, wie ein Gottesdienst nach orthodoxem Ritus verläuft. Wenn wir Kirchen und Klöster besuchen, sind sie in der Regel menschenleer. Wir zünden einige Kerzen an und gehen dann nach einigen Minuten. Die Kirchen hier sind meist dunkel und schummrig, die Wände rußgeschwärzt. An einer Seite steht ein reich verzierter Altar mir zahlreichen Ikonen. Ich mag die Stimmung in diesen Kultstätten, auch wenn sie mir fremd vorkommt. Auf der anderen Seite stehen Menschen die halbe Nacht vor der Alexander Nevski Kathedrale in Sofia, um die drei wichtigsten Ikonen des Landes zu sehen, die für drei Tage zusammengetragen wurden. Meine Schwiegereltern kamen erst nach dreistündiger Wartezeit um 3h morgens in die Kirche. Ich bin zu Hause geblieben.
Ich habe das Gefühl, dass Religion in Bulgairen vor allem auch eine identitätsstiftende Funktion ausfüllt. Man ist Bulgare und Orthodox. Nicht zuletzt den Klöstern fällt eine wichtige Rolle zur Bewahrung der bulgarischen Kultur während den langen Besatzungszeiten zu. Vor kurzem habe ich gelesen, dass das Rila Kloster sogar die Bibliothek der amerikanischen Schule in Sofia während des Kommunismus versteckt hat. Insofern würden 90% der Bulgaren behaupten, dass sie gläubig sind, aber vielleicht nicht regelmäßig zum Gottesdienst gehen.

Warum auch, man kann sich schließlich auch einen Priester nach Hause bestellen, der einem die neue Wohnung segnet. So wie wir gestern. Ein Service, der uns Westeuropäern etwas fremd erscheint. 
Dafür wird eine Tisch gedeckt mit Brot, einer Flasche Wein (für das Abendmahl), Früchten, vielen Kerzen und einem kleinen Blumenstrauß. Es werden Gebete gesprochen und aus der Bibel rezitiert. Dann müssen die Bewohner die rechte Hand übereinander legen, darauf wird ein Kreuz gelegt und der Segen gesprochen. Ich dachte einen kurzen Moment, ob er uns nicht auch gleich noch verheiratet. Aber die Ringe fehlten. Danach geht der Priester zu jedem einzelnen hin, besprenkelt den Kopf mit Weihwasser und man küsst das Kreuz. Übrigens bekreuzigt man sich mit recht ausladender Bewegung und von rechts nach links (Stirn, Brust, rechte Schulter, linke Schulter), also umgekehrt als in der katholischen Kirche. Dann wird das Abendmahl zelebriert, mit Wein und Brot. Anschließend geht man durch die Wohnräume, der Priester verteilt mit dem Blumenstrauß Weihwasser und spricht die Trinität (Gott- Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist). Mit einem Öl pinselt er Kreuze an die Türrahmen jedes Raumes. Sind alle Räume (und Balkon) durch, so geht man ins Wohnzimmer zurück und der Priester wünscht einem noch alles Gute für das weitere Leben.

Pozdravi
Ivan

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