27.01.2009

Bulgarska Rabota

"Sie tun so als würden sie mich bezahlen, also tue ich so als würde ich arbeiten."

"Wenn dringende Arbeit ansteht, mache ich erstmal ein Nickerchen - ist es wirklich wichtig, dann wird es jemand anders schon erledigen. Falls nicht, dann war es wohl nicht so dringend."

Sprüche wie diese gehören durchaus zum Allgemeingut und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass nicht wenige Arbeitnehmer sie tatsächlich befolgen. Nicht umsonst reiht sich Bulgarien bei internationalen Rankings der Arbeitsproduktivität auf den hinteren Plätzen ein. Im Schnitt liegt sie so bei 30% des EU-Durchschnitts. Man trifft nicht selten auf Leute, die zwar einen Job haben, aber nicht unbedingt Arbeit. Leute, die an irgendwelchen Ecken stehen, in irgendwelchen Glaskästen sitzen oder kaffeetrinkend und Zigarettenrauchend mit ihrem Handy während der Arbeitszeit telefonieren. 
Dementsprechend ist auch das Lohnniveau. Sogar Serbien liegt höher. Erst gestern las ich, dass gut die Hälfte der Bulgaren von 600 Leva oder ungefähr 300 Euro im Monat lebt. Weitere 30% kommt immerhin auf ein Einkommen von über 1000 Leva, was ungefähr 500 Euro entspricht. So nimmt es nicht Wunder, dass sich die Bulgaren am liebsten über ihr geringes Einkommen auslassen. Dies schmälert allerdings nicht ihr Selbstbewusstsein bei Jobinterviews nach einem Firmenwagen zu fragen, auch wenn es sich nur um einen Sekretärinnen-Job handelt. Bei einer Arbeitslosenquote von 8% und Fachkräftemangel auf Grund der jahrelangen Auswandererwellen, finden sich häufig Leute auf Positionen, für die sie eigentlich nicht qualifiziert wären.
Auf der anderen Seiten soll es 10.000 Millionäre und eine Handvoll Milliardäre geben. So gehören in Städten wie Varna und Sofia Rolls Royce, Maybach, Ferrari und Lamborghinis durchaus zum Stadtbild dazu. Die schwarze S-Klasse ist fast schon sowas wie eine Mindestanforderung um einigermaßen dazu zu gehören.
Es ist diese Art von Ungleichheit, an die man sich nur schwer gewöhnen kann und die wohl für keine Gesellschaft auf Dauer gesund ist. Zumal viele der heutigen Eliten schon zu kommunistischen Zeiten zur Nomenklatura gehörten. Eine wirkliche Aufarbeitung dieser Epoche in Form einer deutschen Vergangenheitsbewältigung steht noch aus. 

Pozdrawi
Ivan



24.01.2009

Deutsche Begriffe im Bulgarischen

Im Alltag stößt man immer wieder auf deutsche Lehnwörter aus dem Deutschen. Es handelt sich dabei um Begriffe aus dem Handwerklichen, Gastronomischen und anderen Lebensbereichen. Teilweise fand aber auch eine semantische Verschiebung statt, so dass es teilweise zum Auftreten von "false friends" kam. Also Wörtern, die auf den ersten Blick dasselbe bedeuten, aber eigentlich was anderes darstellen. Bekanntes Beispiel aus dem Englisch/Deutschen: become.
"I become a Steak" könnte den englischsprachigen Kellner zum Schmutzeln bringen, aber dem Gast kein Steak.
Die deutschen Entlehnungen sind auf die engen deutsch-bulgarischen Beziehungen zurückzuführen. 1879 ernannte man den deutschen Prinzen Alexander von Battenberg zum ersten Fürsten Bulgariens, acht Jahre später wurde der in Wien geborene Prinz Ferdinand aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha zum Thronfolger gewählt. Sein Nachfahre Simeon Sachscoburggotski wurde im Jahre 2001 zum Ministerpräsident gewählt, nachdem er aus seinem spanischen Exil nach Bulgarien zurückkehrte. Seine Partei ist nach wie vor an der Regierung vertreten.

Die deutschen Lehnwörter lassen sich grob in folgende Sachgebiete einteilen:

Technik und Handwerk:
Bohrmaschine, Dübel, Beize, Lack, Gipskarton, Meister (wobei hier Handwerker grundsätzlich Meistor genannt werden, mit oder ohne Meisterbrief), Schiebedach, Schnur

Natur und Tiere:
Dackel, Spitz, Pudel, Mops, Landschaft

Haushalt und Essen:
Backpulver, Gries, Schnitzel, Strudel, Brezel, Leberkäs

Sonstiges:
Witz, Kurort, Kapellmeister, Edelweiß, Trauer

"False friends:
- Mit Anzug bezeichnet man hier keinen dunklen zwei- oder dreiteiler mit Krawatte und Hemd sondern vielmehr die in Bulgarien sehr beliebten Sport-Anzüge. Kostüm ist hingegen das förmliche Kleidungsstück. In Deutschland jedoch nur für das weibliche Business-Kostüm reserviert.

- Kufer klingt im ersten Moment nach Koffer, damit ist aber der Eimer gemeint (Kufer za bukluk ist der Mülleimer)

- Kilar klingt stark nach Keller, ist im bulgarischen Haushalt aber eher eine Abstellkammer. Der Keller im Untergeschoss wird Meze genannt. Sicher, die Bedeutung ist naheliegend, aber ein Unterschied ist da.

Ich werde weiterhin meine Augen und Ohren nach weiteren deutschen Lehnwörtern offen halten und hier in loser Reihe vorstellen.

Das nächste Mal vielleicht auch in kyrillischer Schreibweise.

Pozdravi
Ivan

14.01.2009

Proteste in Sofia


Ein breites Oppositionsbündnis aus unzufriedenen Studenten, Bauern, Rentnern, Öko-Aktivisten, Oppositionsparteien und gar Polizisten hat sich heute vor dem Parlamentsgebäude verstammelt um gegen die regierende Drei-Parteien-Koalitionen zu demonstrieren. Dabei sind die Forderungen ebenso vielfältig wie die Zusammensetzung der Demonstranten. Die Bauern verlangen die Auszahlung von Subventionen, die Studenten mehr Sicherheit in den Studentenheimen und bessere Studienbedinungen allgemein, die Rentner und Polizisten mehr Geld, die Ökos mehr Schutz der Umwelt. Nico und ich haben uns das auch mal kurz angesehen, da Nico sein Auto unweit geparkt hatte. Als wir am Ort des Geschehens eintrafen haben sich bereits die Polizisten (interessanterweise mit Helmen des bayrischen Staatsschutzes ausgestattet, unschwer an dem blau-weißen Wappen zu erkennen) vor dem Parlament postiert, ihnen gegenüber die Protestierer. Diese hatten bereits damit begonnen mit Schneebällen und sonstigem in Richtung Polizisten werfen. Diese ließen sich nicht lange bitten und wurden schließlich handgreiflicher. Als es dann noch hieß eine selbstgebaute Bombe sollte vor dem Parlament platziert worden sein, erhielten die Einsatzkräfte den Befehl die Demo aufzulösen. Aber da waren wir längst im Büro angekommen.

Hier das ganze noch in Bildern:

Video von Darik News

News auf englisch:
novinite.com

Sofia Echo

Pozdravi
Ivan