In Deutschland kommt keine Debatte über Ausländer an dem schönen Begriff Integration vorbei. Die Zugewanderten sollen sich gefälligst integrieren, Sprache lernen, Job finden und dann möglichst wenig auffallen, sei es durch Aussehen, Geruch oder merkwürdige Verhaltensweisen. Schließlich geht der Deutsche per se davon aus, dass seine Lebensweise vorbildlich und möglichst von vielen anderen nachgeahmt oder zumindest gutgeheißen wird.
Was passiert aber, wenn man als Deutscher ins Ausland geht. Ich spreche jetzt nicht von 2 Woche Mallorca, was ja nicht wirklich Ausland ist. Aber auch nicht die Schweiz, wohin es viele Deutsche in den letzten Jahren hingezogen hat und mehr als Auswandern light betrachtet werden kann.
Also wenn zum Beispiel nach Bulgarien geht, aus welchen Gründen auch immer (ich habe von deutschen Auswanderern schon die dollsten Begründungen gehört). Meine Beobachtungen in der deutschen Community zeigen, dass es häufig an Sprachkenntnissen fehlt und man sich, soweit es geht, mit deutschsprachigen Personal und Dienstleistern umgibt, die sich das entsprechend vergüten lassen. Die Gefahr ist dabei, dass man in einer Art Blase lebt und nicht so richtig mit der bulgarischen Wirklichkeit in Kontakt kommt. Ist vielen aber auch Recht so.
Man kann sich nämlich durchaus fragen, wie man sich als Integrationswilliger in Bulgarien integrieren soll, wo das Schmieren von Verkehrspolizisten zum Volkssport gehört? Besser noch, wo man an die Polizei Spenden entrichten kann und man so von Kontrollen unbehelligt bleibt, siehe hier:
http://www.novinite.com/view_news.php?id=130930
Oder was mach man als Deutscher mit dem deutschen Volkssport Mülltrennen? Es gibt dementsprechende bunte Container, diese werden aber häufig mit gewöhnlichen Müll befüllt, so dass man seinen säuberlich getrennten Müll DA nicht hineinwerfen möchte. Wenn man dann noch gesehen hat, wie der Müllwagen mehrere bunte Container in denselben Wagen entsorgt, fragt sich schnell nach dem Sinn seiner gutgemeinten Aktion.
Hoffentlich hat mich jetzt keiner gesehen...
Reicht es, wenn man sich angewöhnt hat, seinen Salat mit hochprozentigem Rakia zu verzehen, Chalga zu hören (was je nach Gesellschaft Abwehr oder Zustimmung hervorruft) und bei einer Verkehrskontrolle seinen Führerschein mit einer 20 Leva Note bestückt, um als gut integriert zu gelten? Man seinen Kopf zur Bestätigung schüttelt und zur Verneinung nickt?
Und was ist, wenn einem die Schwiegermutter, ob der noch nicht perfekten Bulgarischkenntnisse zu mehr Engagement ermahnt? Wenn man von Zufallsbekanntschaften zu hören, wie man denn dazu kommt, aus Deutschland weg nach Bulgarien zu ziehen?!?! Wo doch viele Bulgaren in genau die entgegengesetzte Richtung wollen. Wobei man mit dem Verweis auf die bulgarische Ehefrau mit einem verständnisvollem Nicken rechnen kann.
Überhaupt können einem viele Bulgaren selbst nicht genau erklären, woraus das Bulgarentum eigentlich besteht. Dazu haben 500 Jahre osmanische Besatzung und über vierzig Jahre Kommunismus erfolgreich verhindert, dass sich ein starkes Nationalbewusstsein herausbilden konnte. Häufig wird dieses Bewusstsein aus der frühesten Geschichte gezogen, vor den Türken, als Bulgarien noch groß und stark war. Kann das reichen?
Wie auch immer, es gibt auch viele schöne Dinge, die ich hier in Bulgarien gerne angenommen habe: Der Martenitza-Brauch im März, viel Salat essen (schmeckt auch ohne Rakia), überhaupt langsamer essen, Namenstage feiern, vieles entspannter sehen, man kann es doch nicht ändern, gute Weine genießen und schöne Spaziergänge abends am Meer.
Posdravi,
Ivan
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vor 7 Monaten